Deckungs­zu­sa­ge für die mit­ver­si­cher­ten Geschäfts­füh­rer – und die zwi­schen­zet­li­che Insol­venz der GmbH

Gibt der Rechts­schutz­ver­si­che­rer bei einer Ver­si­che­rung für frem­de Rech­nung zuguns­ten des Ver­si­cher­ten eine Deckungs­zu­sa­ge ab, legt er sich hin­sicht­lich sei­ner Leis­tungs­pflicht auf die­sen fest. Bei einer Zah­lung an den Ver­si­che­rungs­neh­mer ver­stößt er gegen das Ver­bot wider­sprüch­li­chen Ver­hal­tens, wenn er sich auf des­sen glei­cher­ma­ßen bestehen­de Ver­fü­gungs­be­fug­nis beruft. Ver­langt der Ver­si­cher­te Befrei­ung von einer Hono­rar­ver­bind­lich­keit gegen­über sei­nem Rechts­an­walt, erbringt der Rechts­schutz­ver­si­che­rer mit einer Zah­lung an den Ver­si­che­rungs­neh­mer nicht die nach den ARB geschul­de­te Leis­tung, so dass kei­ne Erfül­lung ein­tre­ten kann.

Die ver­ein­bar­ten All­ge­mei­nen Bedin­gun­gen für die Rechts­schutz­ver­si­che­rung (ARB) sehen in § 15 Abs. 2 vor, dass für mit­ver­si­cher­te Per­so­nen die den Ver­si­che­rungs­neh­mer betref­fen­den Bestim­mun­gen sinn­ge­mäß gel­ten, der Ver­si­che­rungs­neh­mer jedoch wider­spre­chen kann, wenn eine ande­re mit­ver­si­cher­te Per­son als sein ehelicher/​eingetragener Lebens­part­ner Rechts­schutz ver­langt. Im vor­lie­gen­den Fall bestand eine Rechts­schutz­ver­si­che­rung für eine zwi­schen­zet­lich in die Insol­venz gefal­le­ne GmbH. Die Ver­si­che­rung hat­te dem mit­ver­si­cher­ten Geschäfts­füh­rer eine Deckungs­zu­sa­ge erteilt, spä­ter dann aber auf Ver­lan­gen des Insol­venz­ver­wal­ters der GmbH an die­sen gezahlt. Der Insol­venz­ver­wal­ter hat­te zuvor Zah­lung an die Mas­se ver­langt, aller­dings kei­nen Wider­spruch i.S. des § 15 Abs. 2 Satz 2 ARB erklärt.

Allein durch die Insol­venz des Ver­si­che­rungs­neh­mers (hier: der GmbH) ändert sich an der mate­ri­el­len Rechts­po­si­ti­on des Ver­si­cher­ten (hier: der Geschäfts­füh­rer) nichts. Die hier abge­schlos­se­ne Ver­si­che­rung für frem­de Rech­nung ist nach §§ 44, 45 VVG gekenn­zeich­net durch die Spal­tung der mate­ri­el­len Inha­ber­schaft der Rech­te aus dem Ver­si­che­rungs­ver­trag beim Ver­si­cher­ten und der for­mell­ma­te­ri­el­len Befug­nis des Ver­si­che­rungs­neh­mers, sie gericht­lich gel­tend zu machen und über sie zu ver­fü­gen[1]. Die Insol­venz des Ver­si­che­rungs­neh­mers beein­träch­tigt die Rechts­po­si­ti­on des Ver­si­cher­ten nicht, da der Anspruch auf die Ver­si­che­rungs­leis­tung nicht zur Insol­venz­mas­se des Ver­si­che­rungs­neh­mers, son­dern der des Ver­si­cher­ten gehört[2]. Bei der Insol­venz des Ver­si­che­rungs­neh­mers kommt es ledig­lich zu einer Ände­rung hin­sicht­lich der Ver­fü­gungs­be­rech­ti­gung; die­se steht nun­mehr dem Insol­venz­ver­wal­ter zu[3].

§ 15 Abs. 2 ARB sta­tu­iert auch bis zur Erklä­rung des Wider­spruchs durch den Ver­si­che­rungs­neh­mer kei­ne allei­ni­ge Ver­fü­gungs­be­fug­nis des Versicherten.

All­ge­mei­ne Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen sind nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs so aus­zu­le­gen, wie ein durch­schnitt­li­cher Ver­si­che­rungs­neh­mer sie bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung, auf­merk­sa­mer Durch­sicht und unter Berück­sich­ti­gung des erkenn­ba­ren Sinn­zu­sam­men­hangs ver­ste­hen muss. Dabei kommt es auf die Ver­ständ­nis­mög­lich­kei­ten eines Ver­si­che­rungs­neh­mers ohne ver­si­che­rungs­recht­li­che Spe­zi­al­kennt­nis­se und damit – auch – auf sei­ne Inter­es­sen an. All­ge­mei­ne Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen sind aus sich her­aus zu inter­pre­tie­ren. In ers­ter Linie ist dabei vom Wort­laut aus­zu­ge­hen. Der ver­folg­te Zweck und der Sinn­zu­sam­men­hang sind zusätz­lich zu berück­sich­ti­gen, soweit sie für den Ver­si­che­rungs­neh­mer erkenn­bar sind[4]. Liegt – wie hier – eine Ver­si­che­rung zuguns­ten Drit­ter vor, so kommt es dane­ben auch auf die Ver­ständ­nis­mög­lich­kei­ten durch­schnitt­li­cher Ver­si­cher­ter und ihre Inter­es­sen an[5]

Bei­de durch­schnitt­li­cher Ver­si­che­rungs­neh­mer und durch­schnitt­li­cher Ver­si­cher­ter wer­den der For­mu­lie­rung in § 15 Abs. 2 Satz 1 ARB, für mit­ver­si­cher­te Per­so­nen gel­ten die den Ver­si­che­rungs­neh­mer betref­fen­den Bestim­mun­gen sinn­ge­mäß, zunächst ent­neh­men, dass die mit­ver­si­cher­te Per­son dem Ver­si­che­rungs­neh­mer wenn auch nicht voll­stän­dig, so doch grund­sätz­lich gleich­ge­stellt ist und folg­lich den­sel­ben Ver­si­che­rungs­schutz genießt. § 15 Abs. 2 Satz 2 ARB offen­bart, dass die­se Gleich­stel­lung mit dem Wider­spruch des Ver­si­che­rungs­neh­mers endet, soweit nicht ein ehelicher/​eingetragener Lebens­part­ner Rechts­schutz ver­langt. So lan­ge die­se Gleich­stel­lung besteht, wer­den Ver­si­che­rungs­neh­mer und Ver­si­cher­te die mit­ver­si­cher­te Per­son als zur eigen­stän­di­gen Gel­tend­ma­chung des Rechts­schut­zes berech­tigt anse­hen. § 15 ARB wird dem­entspre­chend weit­hin als Abbe­din­gung des § 44 Abs. 2 VVG ver­stan­den[6].

Der Klau­sel des § 15 Abs. 2 ARB lässt sich jedoch nicht ent­neh­men, dass der Ver­si­cher­te bis zum Wider­spruch nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ARB unter Aus­schluss der Ver­fü­gungs­be­fug­nis des Ver­si­che­rungs­neh­mers allein ver­fü­gungs­be­rech­tigt sein soll[7]. Der Wort­laut der Bestim­mung spricht gegen einen der­art wei­ten Umfang der Rechts­po­si­ti­on des Ver­si­cher­ten. § 15 Abs. 2 ARB bringt nicht zum Aus­druck, dass der Ver­si­cher­te hin­sicht­lich des Ver­si­che­rungs­schut­zes an die Stel­le des Ver­si­che­rungs­neh­mers tre­ten soll, son­dern ord­net ledig­lich die sinn­ge­mä­ße Anwen­dung der den Ver­si­che­rungs­neh­mer betref­fen­den Bestim­mun­gen an; eine so weit­ge­hen­de Beschrän­kung der Rechts­stel­lung des Ver­si­che­rungs­neh­mers läge nicht in des­sen Inter­es­se. Zudem kön­nen beim durch­schnitt­li­chen Ver­si­che­rungs­neh­mer und beim durch­schnitt­li­chen Ver­si­cher­ten im All­ge­mei­nen kei­ne Rechts­kennt­nis­se vor­aus­ge­setzt wer­den[8]. Sie wer­den ein allei­ni­ges Ver­fü­gungs­recht des Ver­si­cher­ten zur Wah­rung sei­ner Inter­es­sen im Insol­venz­fall des Ver­si­che­rungs­neh­mers nicht in Betracht zie­hen. Dif­fe­ren­zier­te insol­venz­recht­li­che Über­le­gun­gen etwa zu Ersatz­aus­son­de­run­gen oder zu Mas­se­schul­den[9] sind ihnen fremd.

Es kann dahin­ste­hen, wie sich die bis zum Wider­spruch des Ver­si­che­rungs­neh­mers neben­ein­an­der bestehen­den Ver­fü­gungs­be­fug­nis­se von Ver­si­che­rungs­neh­mer und Ver­si­cher­ten im Kon­flikt­fall ein­an­der wider­spre­chen­der Ver­fü­gun­gen zuein­an­der ver­hal­ten[10]. Eine Ver­fü­gung des Geschäfts­füh­rers gibt es nicht. Unter einer Ver­fü­gung ist ein Rechts­ge­schäft zu ver­ste­hen, durch das der Ver­fü­gen­de auf ein Recht unmit­tel­bar ein­wirkt, es also ent­we­der auf einen Drit­ten über­trägt oder mit einem Recht belas­tet oder das Recht auf­hebt oder es sonst wie in sei­nem Inhalt ändert[11]. Das allein hier in Betracht kom­men­de blo­ße Zah­lungs­ver­lan­gen durch den Ver­tei­di­ger des Geschäfts­füh­rers genügt die­sen Anfor­de­run­gen nicht.

Eine Erfül­lungs­wir­kung schei­tert aber dar­an, dass sich die Ver­si­che­rung durch ihre Deckungs­zu­sa­ge dazu ver­pflich­tet hat, allein zu Guns­ten des Geschäfts­füh­rers als mit­ver­si­cher­ter Per­son zu leis­ten. Unter dem Gesichts­punkt des wider­sprüch­li­chen Ver­hal­tens ist es ihr daher gemäß § 242 BGB ver­wehrt, sich gegen­über dem Geschäfts­füh­rer auf die nach den ARB bestehen­de Ver­fü­gungs­be­fug­nis der GmbH, die auf den Insol­venz­ver­wal­ter über­gan­gen ist, zu berufen.

Mit der Deckungs­zu­sa­ge bestä­tigt der Rechts­schutz­ver­si­che­rer sei­ne Leis­tungs­pflicht für einen bestimm­ten Ver­si­che­rungs­fall. Sie stellt die Grund­la­ge für das wei­te­re außer­ge­richt­li­che und gericht­li­che Vor­ge­hen dar und ist daher von wesent­li­cher Bedeu­tung[12]. Des­halb wird die Deckungs­zu­sa­ge nach all­ge­mei­ner Mei­nung als dekla­ra­to­ri­sches Schuld­an­er­kennt­nis gewer­tet mit der Fol­ge, dass dem Ver­si­che­rer Ein­wen­dun­gen ver­wehrt sind, die er kennt und mit denen er rech­net[13] und nach teil­wei­se ver­tre­te­ner Auf­fas­sung – noch wei­ter­ge­hend – mit denen er rech­nen muss­te[14]. Die Deckungs­zu­sa­ge erzeugt einen Ver­trau­en­s­tat­be­stand, der es dem Ver­si­che­rer bei einer feh­ler­haf­ten Ein­schät­zung des Sach­ver­halts ver­wehrt, sich auf die Feh­ler­haf­tig­keit der Deckungs­zu­sa­ge zu beru­fen[15].

Die Aus­le­gung der Deckungs­zu­sa­ge rich­tet sich nach §§ 133, 157 BGB[16]. Zwar ist die Aus­le­gung von pri­vat­recht­li­chen Wil­lens­er­klä­run­gen grund­sätz­lich dem Tat­rich­ter vor­be­hal­ten. Das Revi­si­ons­ge­richt kann aber die vom Beru­fungs­ge­richt unter­las­se­ne Aus­le­gung selbst nach­ho­len, wenn – wie hier – die erfor­der­li­chen Fest­stel­lun­gen getrof­fen und kei­ne wei­te­ren zu erwar­ten sind[17].

Die Deckungs­zu­sa­ge hat die Rechts­schutz­ver­si­che­rung in ihrem Schrei­ben an den Ver­tei­di­ger des Geschäfts­füh­rers erteilt, in dem sie bat, namens und im Auf­trag des Ver­si­cher­ten des­sen recht­li­che Inter­es­sen wahr­zu­neh­men. Hier­mit bestä­tig­te sie ihre Leis­tungs­pflicht für den vom Ver­tei­di­ger des Ver­si­cher­ten gel­tend gemach­ten Ver­si­che­rungs­fall. Die auf die­se Wei­se erfolg­te Kon­kre­ti­sie­rung erfasst hier eben­so die Rechts­stel­lung der mit­ver­si­cher­ten Per­son. Bei der Leis­tungs­prü­fung des Ver­si­che­rers bedeu­tet das Wider­spruchs­recht des § 15 Abs. 2 Satz 2 ARB nicht, dass der Ver­si­che­rer ver­pflich­tet wäre, nach der Deckungs­an­fra­ge eines Mit­ver­si­cher­ten die Zustim­mung des Ver­si­che­rungs­neh­mers ein­zu­ho­len; er darf viel­mehr nach der von ihm selbst gestell­ten Bedin­gung davon aus­ge­hen, dass die Deckungs­an­fra­ge regel­mä­ßig mit dem Ein­ver­ständ­nis des Ver­si­che­rungs­neh­mers erfolgt[18]. Aus Sicht des Erklä­rungs­emp­fän­gers bedeu­tet die Deckungs­zu­sa­ge nicht nur, dass der Ver­si­cher­te unter den Ver­si­che­rungs­schutz fällt. Sie besagt auch, dass der Ver­si­che­rer gera­de den Ver­si­cher­ten von des­sen Hono­rar­ver­pflich­tung gegen­über dem von ihm beauf­trag­ten Anwalt frei­stel­len will und er sich daher – bis zur Erklä­rung eines Wider­spruchs durch den Ver­si­che­rungs­neh­mer gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 ARB – auf den Ver­si­cher­ten als ver­fü­gungs­be­rech­tig­te Per­son fest­legt. Damit wur­de das Ver­trau­en des Geschäfts­füh­rers begrün­det, dass die Rechts­schutz­ver­si­che­rung sei­ne Kos­ten der Man­da­tie­rung wirt­schaft­lich tra­gen wird. Da die Insol­venz des Ver­si­che­rungs­neh­mers die mate­ri­el­le Berech­ti­gung des Ver­si­cher­ten nicht tan­giert, kann die­ser Umstand den Ver­si­che­rer nicht berech­ti­gen, von sei­ner Deckungs­zu­sa­ge zu Guns­ten des Ver­si­cher­ten abzurücken.

Wegen der zen­tra­len Bedeu­tung der Deckungs­zu­sa­ge kann der Ver­si­che­rer die­se nur unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen besei­ti­gen. Erst wenn sich im Nach­hin­ein her­aus­stellt, dass es Grün­de für eine Leis­tungs­ver­wei­ge­rung gibt, kann der Ver­si­che­rer die Deckungs­zu­sa­ge wider­ru­fen und das dekla­ra­to­ri­sche Schuld­an­er­kennt­nis kon­di­zie­ren[19]. Daher reicht es für den Wider­ruf der Deckungs­zu­sa­ge nicht aus, dass die Rechts­schutz­ver­si­che­rung rund 1 ¾ Jah­re nach der Deckungs­zu­sa­ge bei ihrem gegen­über dem Anwalt des Ver­si­cher­ten erklär­ten Ein­ver­ständ­nis zu einem bestimm­ten Stun­den­ho­no­rar erklärt, „einer detail­lier­ten Gebüh­ren­rech­nung gegen­über unse­rer Ver­si­che­rungs­neh­me­rin entgegen[zusehen]“. Auch wenn die­se Erklä­rung nicht mehr auf den Ver­si­cher­ten, son­dern auf die Ver­si­che­rungs­neh­me­rin abstellt, kann sie nicht als Wider­ruf der Deckungs­zu­sa­ge ver­stan­den werden.

Die Gene­ral­klau­sel des § 242 BGB ver­bie­tet wider­sprüch­li­ches Ver­hal­ten, wenn für den ande­ren Teil ein Ver­trau­en­s­tat­be­stand ent­stan­den ist oder wenn beson­de­re Umstän­de die Rechts­aus­übung als treu­wid­rig erschei­nen las­sen[20]. So ist es hier. Die Rechts­schutz­ver­si­che­rung hat sich wie vor­ste­hend aus­ge­führt durch ihre Deckungs­zu­sa­ge hin­sicht­lich der Leis­tungs­pflicht auf den Geschäfts­füh­rer fest­ge­legt. Sie ist des­halb gemäß § 242 BGB dar­an gehin­dert, sich ihm gegen­über auf die nach den ARB bestehen­de Ver­fü­gungs­be­fug­nis der GmbH als Ver­si­che­rungs­neh­me­rin, die auf den Insol­venz­ver­wal­ter über­ge­gan­gen ist, zu berufen.

Einer Erfül­lung steht wei­ter­hin ent­ge­gen, dass die Leis­tung der Ver­si­che­rung nicht auf den ver­trag­lich geschul­de­ten Leis­tungs­ge­gen­stand in Form der Befrei­ung des Geschäfts­füh­rers von der Ver­bind­lich­keit gegen­über sei­nem Ver­tei­di­ger gerich­tet war[21]; die Rechts­schutz­ver­si­che­rung hat mit der Geld­zah­lung nicht die ver­trag­lich ver­spro­che­ne Leis­tung erbracht.

Bei einem Befrei­ungs­an­spruch besteht grund­sätz­lich kein Zah­lungs­an­spruch des Gläu­bi­gers, dem Schuld­ner steht es viel­mehr frei, wie er den Befrei­ungs­an­spruch erfüllt. Ent­schei­dend ist nur, dass das Ergeb­nis – Befrei­ung von der Ver­bind­lich­keit – ein­tritt[22]. Dar­an fehlt es, wenn der Ersatz­ver­pflich­te­te dem Ersatz­be­rech­tig­ten das zur Erfül­lung der Ver­bind­lich­keit erfor­der­li­che Geld zur Ver­fü­gung stellt[23]. Letz­te­rer soll nicht das Risi­ko tra­gen, dass es – etwa in Fol­ge des Zugriffs sei­ner Gläu­bi­ger – nicht zur voll­stän­di­gen Befrei­ung von der Ver­bind­lich­keit kommt[24].

Der Anspruch aus der Rechts­schutz­ver­si­che­rung ist auf die Befrei­ung von den bei der Wah­rung der recht­li­chen Inter­es­sen ent­ste­hen­den Kos­ten gerich­tet[25]; der Schuld­be­frei­ungs­an­spruch ist einem Zah­lungs­an­spruch nicht gleich­ar­tig[26].

Die Rechts­schutz­ver­si­che­rung war nicht berech­tigt, an den Insol­venz­ver­wal­ter des Ver­si­che­rungs­neh­mers zu zah­len, ohne dass die­ser zuvor den Ver­tei­di­ger des Ver­si­cher­ten befrie­digt hat­te. Die Gegen­auf­fas­sung[27] kann sich nicht dar­auf beru­fen, der Ver­si­che­rer kön­ne stets an den Ver­si­che­rungs­neh­mer zah­len, weil die­ser vor dem Zugriff sei­ner Gläu­bi­ger durch § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB geschützt sei[28]. Die­se Auf­fas­sung steht im Wider­spruch zur Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs, nach der § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB nicht dar­an hin­dern, dass ein Befrei­ungs­an­spruch des Ver­si­che­rungs­neh­mers in des­sen Mas­se und der Ver­wer­tung durch den Insol­venz­ver­wal­ter anheim fällt[29].

Die Insol­venz des Ver­si­che­rungs­neh­mers führt nicht zur Umwand­lung des Befrei­ungs­an­spruchs des Ver­si­cher­ten in einen Zah­lungs­an­spruch. Steht dem Insol­venz­schuld­ner ein Anspruch auf Befrei­ung von einer Ver­bind­lich­keit gegen­über einem Drit­ten zu, wan­delt sich der Befrei­ungs­an­spruch in einen in die Mas­se fal­len­den Zah­lungs­an­spruch um[30]. Die aus der Unab­tret­bar­keit des § 399 BGB fol­gen­de Unpfänd­bar­keit des Befrei­ungs­an­spruchs gemäß § 851 ZPO dient nicht dem Schutz des Gemein­schuld­ners und soll dem Dritt­gläu­bi­ger auch kei­ne kon­kurs­fes­te haf­tungs­recht­li­che Zuwei­sung ver­schaf­fen[29]. Des­halb muss der Ver­mö­gens­wert die­ses Anspruchs im Fal­le der Insol­venz des­je­ni­gen, dem der Befrei­ungs­an­spruch zusteht, der Gläu­bi­ger­ge­samt­heit zur Ver­fü­gung ste­hen. Die­se Situa­ti­on ist hier jedoch nicht gege­ben. Zwar hat im Streit­fall durch die Insol­venz des Ver­si­che­rungs­neh­mers der Insol­venz­ver­wal­ter die Aus­übung des Ver­fü­gungs­rechts inne[31]. Der Befrei­ungs­an­spruch steht aber mate­ri­ell­recht­lich dem Ver­si­cher­ten und nicht dem Ver­si­che­rungs­neh­mer zu. Er gehört nicht zur Insol­venz­mas­se des Ver­si­che­rungs­neh­mers, son­dern zu der des Ver­si­cher­ten[32]. Ein Grund zur Umwand­lung des dem Ver­si­cher­ten zuste­hen­den Befrei­ungs­an­spruchs in einen Zah­lungs­an­spruch zu Guns­ten der Gläu­bi­ger des Ver­si­che­rungs­neh­mers besteht daher nicht.

Bun­des­ge­richts­hof, Urteil vom 16. Juli 2014 – IV ZR 88/​13

  1. Rix­e­cker in Römer/​Langheid, VVG 4. Aufl. § 44 Rn. 1[]
  2. Brand in Bruck/​Möller, VVG 9. Aufl. § 44 Rn. 11; Hübsch in Schwintowski/​Brömmelmeyer, VVG 2. Aufl. § 44 Rn. 11; Kisch, Hand­buch des Pri­vat­ver­si­che­rungs­rechts Band 3 S. 484[]
  3. Brand in Bruck/​Möller, VVG 9. Aufl. § 45 Rn. 27; Hübsch in Schwintowski/​Brömmelmeyer, VVG 2. Aufl. § 45 Rn. 15; vgl. OLG Hamm NZV 1996, 412[]
  4. BGH, Urteil vom 08.05.2013 – IV ZR 84/​12, VersR 2013, 995 Rn. 10 m.w.N.[]
  5. BGH, Urtei­le vom 22.01.2014 – IV ZR 127/​12 13; vom 08.05.2013 – IV ZR 233/​11, VersR 2013, 853 Rn. 40 m.w.N.[]
  6. Arm­brüs­ter in Prölss/​Martin, VVG 28. Aufl. § 15 ARB 2008/​II Rn. 2; Brand in Bruck/​Möller, VVG 9. Aufl. § 44 Rn. 38[]
  7. Brand in Bruck/​Möller, VVG 9. Aufl. § 44 Rn. 38[]
  8. BGH, Urteil vom 21.04.1999 – IV ZR 192/​98, BGHZ 141, 214, 217[]
  9. vgl. Hübsch in Schwintowski/​Brömmelmeyer, VVG 2. Aufl. § 45 Rn. 15 m.w.N.[]
  10. für die Gel­tung des Prio­ri­täts­prin­zips: Brand in Bruck/​Möller, VVG 9. Aufl. § 45 Rn. 9; Prölss/​Klimke in Prölss/​Martin, VVG 28. Aufl. § 45 Rn. 7; Kisch, Hand­buch des Pri­vat­ver­si­che­rungs­rechts Band 3 S. 510 f.; für einen Vor­rang der Ver­fü­gung des Ver­si­cher­ten: Koch in Looschelders/​Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 44 Rn. 37; Sieg in Bruck/​Möller, VVG 8. Aufl. §§ 75, 76 Rn. 37; Nie­ßen, Rechts­wir­kun­gen der Ver­si­che­rung für frem­de Rech­nung unter beson­de­rer Berück­sich­ti­gung des Innen­ver­hält­nis­ses zwi­schen Ver­si­cher­tem und Ver­si­che­rungs­neh­mer, 2004 S. 87[]
  11. BGH, Urteil vom 24.10.1979 – VIII ZR 289/​78, BGHZ 75, 221, 226[]
  12. OLG Koblenz VersR 2011, 791[]
  13. OLG Braun­schweig r+s 2013, 435; OLG Koblenz VersR 2011, 791; KG VersR 1997, 1352; Arm­brüs­ter in Prölss/​Martin, VVG 28. Aufl. § 17 ARB 2008/​II Rn. 10[]
  14. OLG Stutt­gart ZfSch 2008, 650; OLG Köln r+s 2001, 248; Harbauer/​Bauer, Rechts­schutz­ver­si­che­rung 8. Aufl. § 17 ARB 2000 Rn. 17; Herd­ter in Looschelders/​Paffenholz, ARB § 17 Rn. 85; van Bühren/​Plote, ARB 3. Aufl. § 1 Rn. 18[]
  15. vgl. Herd­ter in Looschelders/​Paffenholz, ARB § 17 Rn. 85, 88[]
  16. KG VersR 1997, 1352[]
  17. BGH, Urteil vom 12.12 1997 – V ZR 250/​96, NJW 1998, 1219 unter 3 m.w.N.; vgl. BGH, Urteil vom 04.12 2013 – IV ZR 215/​12, VersR 2014, 98 Rn. 56[]
  18. Har­bau­er/­Cor­ne­li­us-Wink­ler, Rechts­schutz­ver­si­che­rung 8. Aufl. § 15 ARB 2000 Rn.19[]
  19. Harbauer/​Bauer, Rechts­schutz­ver­si­che­rung 8. Aufl. § 17 ARB 2000 Rn. 17[]
  20. BGH, Urtei­le vom 15.11.2012 – IX ZR 103/​11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12; vom 25.10.2012 – I ZR 162/​11, NJW-RR 2013, 1057 Rn. 46; vom 16.03.2005 – VIII ZR 14/​04, MDR 2005, 858; vom 14.09.2004 – XI ZR 248/​03, NJW-RR 2005, 415 unter IV; Erman/​Hohloch, BGB 13. Aufl. § 242 Rn. 106; Palandt/​Grüneberg, BGB 73. Aufl. § 242 Rn. 55; Pfeif­fer, jurisPK-BGB 6. Aufl. § 242 Rn. 56 ff. jeweils m.w.N.[]
  21. vgl. Palandt/​Grüneberg, BGB 73. Aufl. § 362 Rn. 3 f. m.w.N.[]
  22. BGH, Urteil vom 17.02.2011 – III ZR 144/​10, NJW-RR 2011, 910 Rn. 21 m.w.N.[]
  23. Münch­Komm-BGB/­Krü­ger, 6. Aufl. § 257 Rn. 4[]
  24. Münch­Komm-BGB/­Krü­ger aaO[]
  25. vgl. BGH, Urteil vom 04.12 2013 – IV ZR 215/​12, VersR 2014, 98 Rn. 24[]
  26. BGH, Urtei­le vom 14.04.1999 – IV ZR 197/​98, VersR 1999, 706 unter 2 b; vom 14.03.1984 IVa ZR 24/​82, VersR 1984, 530 unter II[]
  27. vgl. Arm­brüs­ter in Prölss/​Martin, VVG 28. Aufl. § 5 ARB 2008/​II Rn. 2 und Harbauer/​Bauer, Rechts­schutz­ver­si­che­rung 8. Aufl. § 5 ARB 2000 Rn. 169 unter Beru­fung auf LG Stutt­gart, VersR 1996, 449[]
  28. so aber LG Stutt­gart aaO[]
  29. BGH, Urteil vom 07.06.2001 – IX ZR 195/​00, MDR 2001, 1258 f.[][]
  30. Hess, InsO 2. Aufl. §§ 35, 36 Rn. 227; Münch­Komm-BGB/­Krü­ger, 6. Aufl. § 257 Rn. 10[]
  31. Hübsch in Schwintowski/​Brömmelmeyer, VVG 2. Aufl. § 45 Rn. 15[]
  32. Hübsch in Schwintowski/​Brömmelmeyer, VVG 2. Aufl. aaO § 44 Rn. 11; Kisch, Hand­buch des Pri­vat­ver­si­che­rungs­rechts Band 3 S. 484[]