Anwalts­emp­feh­lung mt finan­zi­el­lem Anreiz in der Rechtsschutzversicherung

Hat der Ver­si­che­rungs­neh­mer die Ent­schei­dung über die Aus­wahl des Rechts­an­walts und es wird kein unzu­läs­si­ger psy­chi­scher Druck auf ihn aus­ge­übt, dann steht die freie Anwalts­wahl nicht finan­zi­el­len Anrei­zen eines Ver­si­che­rers in Bezug auf eine Anwalts­emp­feh­lung entgegen.

Mit die­ser Begrün­dung hat der Bun­des­ge­richts­hof in dem hier vor­lie­gen­den Fall der Kla­ge einer Rechts­an­walts­kam­mer kei­nen Erfolg beschie­den, die sich gegen ein Scha­den­frei­heits­sys­tem in Zusam­men­hang mit einer Anwalts­emp­feh­lung gewehrt hat. Gleich­zei­tig ist das Urteil des Ober­lan­des­ge­richts auf­ge­ho­ben und die Beru­fung der Klä­ge­rin gegen das Urteil des Land­ge­richts zurück­ge­wie­sen worden. 

Die kla­gen­de Rechts­an­walts­kam­mer ver­langt von der Beklag­ten – einem Rechts­schutz­ver­si­che­rer – unter ande­rem, die Ver­wen­dung von Bestim­mun­gen in den All­ge­mei­nen Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen für die Rechts­schutz­ver­si­che­rung (ARB 2009) zu unter­las­sen, die ein Scha­den­frei­heits­sys­tem mit varia­bler Selbst­be­tei­li­gung im Zusam­men­hang mit einer Anwalts­emp­feh­lung betref­fen. Die Bedin­gun­gen sehen eine Rück­stu­fung von maxi­mal 150 € pro Scha­den­fall vor, wobei die­se durch Zeit­ab­lauf in den Fol­ge­jah­ren wie­der aus­ge­gli­chen wer­den kann. Im Scha­den­fall unter­bleibt aller­dings die­se Rück­stu­fung – und damit in der Regel eine höhe­re Selbst­be­tei­li­gung beim nächs­ten Ver­si­che­rungs­fall -, wenn der Ver­si­che­rungs­neh­mer einen Rechts­an­walt aus dem Kreis der aktu­ell vom Ver­si­che­rer emp­foh­le­nen Rechts­an­wäl­te beauftragt.

Das Land­ge­richt[1] hat die auf Unter­las­sung und Erstat­tung vor­ge­richt­li­cher Abmahn­kos­ten gerich­te­te Kla­ge abge­wie­sen, da die All­ge­mei­nen Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen der Beklag­ten das Recht des Ver­si­che­rungs­neh­mers auf freie Anwalts­wahl nicht ver­letz­ten und kei­ne gra­vie­ren­de Ein­fluss­nah­me auf sei­ne Aus­wahl­ent­schei­dung vor­lie­ge. Auf die Beru­fung der Klä­ge­rin hat das Ober­lan­des­ge­richt[2] die Beklag­te unter ande­rem dazu ver­ur­teilt, die Ver­wen­dung der streit­ge­gen­ständ­li­chen Bestim­mun­gen in ihren All­ge­mei­nen Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen zu unter­las­sen. Mit ihrer Revi­si­on ver­folgt die Beklag­te ihr Kla­ge­ab­wei­sungs­be­geh­ren weiter. 

In sei­ner Urteils­be­grün­dung hat der Bun­des­ge­richts­hof aus­ge­führt, dass das Recht auf freie Anwalts­wahl im Zuge der Umset­zung der Richt­li­nie des Rates vom 22. Juni 1987 zur Koor­di­nie­rung der Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten für die Rechts­schutz­ver­si­che­rung (87/​344/​EWG) im VVG ver­an­kert wur­de und § 127 VVG des­halb richt­li­ni­en­kon­form aus­zu­le­gen ist. Nach der maß­geb­li­chen Recht­spre­chung des Euro­päi­schen Gerichts­hofs schließt die Frei­heit der Anwalts­wahl nicht jeg­li­che Anreiz­sys­te­me des Ver­si­che­rers in Bezug auf die vom Ver­si­che­rungs­neh­mer zu tref­fen­de Ent­schei­dung aus, wel­chen Anwalt er man­da­tiert. Die Gren­ze zur Ver­let­zung des Rechts auf freie Anwalts­wahl wird erst über­schrit­ten, wenn die Ver­trags­ge­stal­tung einen unzu­läs­si­gen psy­chi­schen Druck zur Man­da­tie­rung des vom Ver­si­che­rer vor­ge­schla­ge­nen Anwalts aus­übt. Das ist bei den von der Beklag­ten ver­wen­de­ten Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen nicht der Fall.

Das Beru­fungs­ge­richt hat die­se richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung nicht berück­sich­tigt und infol­ge­des­sen das Recht auf freie Anwalts­wahl aus § 127 VVG zu Unrecht als ver­letzt ange­se­hen. Eben­so wenig wie § 127 VVG berührt das streit­ge­gen­ständ­li­che Scha­den­frei­heits­sys­tem die durch § 3 Abs. 3 BRAO geschütz­te freie Anwalts­wahl in recht­lich erheb­li­cher Wei­se. Da auch ande­re Ansprü­che – ins­be­son­de­re wett­be­werbs­recht­li­che, soweit sie Gegen­stand des Ver­fah­rens gewor­den sind – nicht durch­grei­fen, hat der Bun­des­ge­richts­hof das land­ge­richt­li­che Urteil wiederhergestellt.

Bun­des­ge­richts­hof, Urteil vom 4. Dezem­ber 2013 – IV ZR 215/​12

  1. LG Bam­berg, Urteil vom 08.11.2011 – 1 O 336/​10[]
  2. OLG Bam­berg, Urteil vom 20.06.2012 – 3 U 236/​11[]