Die Vor­er­stre­ckungs­klau­sel in der Rechtsschutzversicherung

Die so genann­te Vor­er­stre­ckungs­klau­sel des § 4 Abs. 3 Buchst. a) der All­ge­mei­nen Bedin­gun­gen für die Rechts­schutz­ver­si­che­rung (ARB 2008) ist intrans­pa­rent und mit­hin nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

Für die Fest­le­gung des dem Ver­trags­part­ner des Ver­si­che­rungs­neh­mers vor­ge­wor­fe­nen Pflich­ten­ver­sto­ßes im Sin­ne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) ARB 2008 ist der Tat­sa­chen­vor­trag ent­schei­dend, mit dem der Ver­si­che­rungs­neh­mer die­sen Ver­stoß begrün­det. Als frü­hest­mög­li­cher Zeit­punkt kommt dabei das dem Anspruchs­geg­ner vor­ge­wor­fe­ne pflicht­wid­ri­ge Ver­hal­ten in Betracht, aus dem der Ver­si­che­rungs­neh­mer sei­nen Anspruch her­lei­tet[1].

Nach ganz herr­schen­der Mei­nung ent­hält die so genann­ten Vor­er­stre­ckungs­klau­sel des § 4 Abs. 3 Buchst. a) ARB 2008 kei­ne zusätz­li­che Beschrei­bung des Rechts­schutz­fal­les, son­dern stellt eine selb­stän­di­ge, zeit­lich begrenz­te Leis­tungs­aus­schluss­klau­sel dar, die so genann­ten Zweck­ab­schlüs­sen von Rechts­schutz­ver­si­che­run­gen ent­ge­gen­wir­ken soll[2].

Nach dem Trans­pa­renz­ge­bot ist der Ver­wen­der All­ge­mei­ner Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen ent­spre­chend den Grund­sät­zen von Treu und Glau­ben gehal­ten, Rech­te und Pflich­ten sei­nes Ver­trags­part­ners mög­lichst klar und durch­schau­bar dar­zu­stel­len. Dabei kommt es nicht nur dar­auf an, dass eine Klau­sel in ihrer For­mu­lie­rung für den durch­schnitt­li­chen Ver­si­che­rungs­neh­mer ver­ständ­lich ist. Viel­mehr gebie­ten Treu und Glau­ben auch, dass sie die wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le und Belas­tun­gen so weit erken­nen lässt, wie dies nach den Umstän­den gefor­dert wer­den kann[3].

Bei Risi­ko­aus­schluss­klau­seln geht das Inter­es­se des Ver­si­che­rungs­neh­mers in der Regel dahin, dass der Ver­si­che­rungs­schutz nicht wei­ter ver­kürzt wird, als der erkenn­ba­re Zweck der Klau­sel dies gebie­tet. Der durch­schnitt­li­che Ver­si­che­rungs­neh­mer braucht nicht damit zu rech­nen, dass er Lücken im Ver­si­che­rungs­schutz hat, ohne dass die Klau­sel ihm dies hin­rei­chend ver­deut­licht. Des­halb sind Risi­ko­aus­schluss­klau­seln nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs eng und nicht wei­ter aus­zu­le­gen, als es ihr Sinn unter Beach­tung ihres wirt­schaft­li­chen Zwecks und der gewähl­ten Aus­drucks­wei­se erfor­dert[4].

Die nach die­sen Maß­stä­ben gefor­der­te hin­rei­chend kla­re Aus­sa­ge dar­über, inwie­weit der in § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) ARB 2008 ver­spro­che­ne Ver­si­che­rungs­schutz ein­ge­schränkt sein soll, trifft die Vor­er­stre­ckungs­klau­sel nicht.

Zwei­fel bestehen inso­weit schon hin­sicht­lich der Vor­aus­set­zung einer vor­ver­trag­li­chen Wil­lens­er­klä­rung oder Rechtshandlung.

Zwar ver­wen­det die Klau­sel mit dem Begriff der Wil­lens­er­klä­rung einen fest umris­se­nen Begriff der Rechts­spra­che[5], bei dem nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs im Zwei­fel anzu­neh­men ist, dass auch die All­ge­mei­nen Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen dar­un­ter nichts ande­res ver­ste­hen wol­len[6].

Ob das für den alter­na­tiv ver­wen­de­ten Begriff der Rechts­hand­lung in glei­cher Wei­se gilt, erscheint aber frag­lich[7]. Das Gesetz misst dem Begriff der Rechts­hand­lung kei­nen durch­ge­hend ein­heit­li­chen Sinn bei (vgl. etwa § 15 Abs. 2 Satz 2, § 54 Abs. 1, § 126 Abs. 1 HGB, § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG, § 57 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 VAG, § 129 Abs. 1 InsO sowie die amt­li­che Über­schrift des § 407 BGB). So ist der Begriff der Rechts­hand­lung im Insol­venz­an­fech­tungs­recht weit aus­zu­le­gen und bezeich­net dort jedes von einem Wil­len getra­ge­ne Han­deln vor Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens, das eine recht­li­che Wir­kung aus­löst[8].

Ob sich ein so wei­tes Ver­ständ­nis des Begriffs in Anbe­tracht der gebo­te­nen engen Aus­le­gung für die Beschrei­bung der Vor­aus­set­zun­gen eines Leis­tungs­aus­schlus­ses in All­ge­mei­nen Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen eig­net und ob inso­weit eine ein­schrän­ken­de Klau­sel­aus­le­gung gebo­ten erscheint, ist umstritten.

Tei­le der Recht­spre­chung und Lite­ra­tur neh­men an, eine Rechts­hand­lung im Sin­ne der Vor­er­stre­ckungs­klau­sel müs­se auf eine Ände­rung oder Ver­wirk­li­chung der Rechts­la­ge abzie­len[9], eine ledig­lich „neu­tra­le“ Erklä­rung, die sol­che Zwe­cke nicht ver­fol­ge, genü­ge hier­für nicht.

Das Land­ge­richt Köln[10] hin­ge­gen zwei­felt dar­an, dass eine sol­che ein­schrän­ken­de Aus­le­gung des Begriffs der Rechts­hand­lung gebo­ten ist.

Eine wei­te­re Ein­schrän­kung des bedin­gungs­ge­mä­ßen Begriffs der Rechts­hand­lung soll nach ver­brei­te­ter Auf­fas­sung dar­in lie­gen, dass eine Rechts­hand­lung jeden­falls in der Regel nicht die­je­ni­gen Erklä­run­gen erfasst, die zum Abschluss des Ver­tra­ges geführt haben, über des­sen Inhalt der Ver­si­che­rungs­neh­mer und sein Anspruchs­geg­ner strei­ten[11].

Schließ­lich soll der Begriff der Rechts­hand­lung im Sin­ne der Vor­er­stre­ckungs­klau­sel sol­che Hand­lun­gen nicht erfas­sen, die ihrer­seits bereits einen Ver­stoß gegen Rechts­pflich­ten oder Rechts­vor­schrif­ten im Sin­ne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) ARB 2008 ent­hal­ten, weil die Vor­er­stre­ckungs­klau­sel gera­de nicht den Rechts­schutz­fall beschrei­be[12].

Der Bun­des­ge­richts­hof hat erheb­li­che Zwei­fel, ob sich die­se Ein­schrän­kun­gen dem durch­schnitt­li­chen, juris­tisch nicht vor­ge­bil­de­ten Ver­si­che­rungs­neh­mer, auf des­sen Ver­ständ­nis­mög­lich­kei­ten und auch Inter­es­sen es bei der Klau­sel­aus­le­gung nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs maß­geb­lich ankommt, erschließen.

Letzt­lich kann aller­dings offen blei­ben, ob die Vor­er­stre­ckungs­klau­sel schon wegen der Vor­aus­set­zung einer Rechts­hand­lung intrans­pa­rent ist. Denn jeden­falls ist die von der Vor­er­stre­ckungs­klau­sel wei­ter vor­aus­ge­setz­te Ursäch­lich­keit der Wil­lens­er­klä­rung oder Rechts­hand­lung für den spä­te­ren Ver­stoß im Sin­ne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) ARB 2008 nicht klar und durch­schau­bar beschrieben.

Nach dem Klau­sel­wort­laut soll kein Rechts­schutz bestehen, wenn die vor Ver­si­che­rungs­be­ginn vor­ge­nom­me­ne Wil­lens­er­klä­rung oder Rechts­hand­lung den Ver­stoß „aus­ge­löst“ hat. Damit wird dem Ver­si­che­rungs­neh­mer nicht nach­voll­zieh­bar ver­deut­licht, in wel­chen Fäl­len kein Ver­si­che­rungs­schutz besteht.

Zwar wird für ihn noch erkenn­bar vor­aus­ge­setzt, dass das bedin­gungs­ge­mä­ße Ereig­nis eine Ursa­che für den spä­te­ren Ver­stoß bil­det. Denn nach all­ge­mei­nem Sprach­ge­brauch bezeich­net das Wort „aus­lö­sen“ ein Gesche­hen, das etwas in Gang setzt, her­vor­ruft oder bewirkt.

Ob damit aber ledig­lich die so genann­te <a hrefhttps://www.proverbia-iuris.de/conditio-sine-qua-non/“ title=„Conditio sine qua non“ target=„_blank“>conditio-sine-qua-non-Formel</a> im Sin­ne adäqua­ter Kau­sa­li­tät ein­ge­schränkt[13], ein wei­ter gehen­des Unmit­tel­bar­keits­er­for­der­nis oder ein die Zurech­nung begren­zen­des Kau­sa­li­täts­kri­te­ri­um ganz eige­ner Art auf­ge­stellt wer­den soll, erschließt sich dem durch­schnitt­li­chen Ver­si­che­rungs­neh­mer, der in der juris­ti­schen Kau­sa­li­täts­leh­re nicht bewan­dert ist, nicht.

In der Recht­spre­chung und juris­ti­schen Lite­ra­tur besteht aller­dings weit­ge­hen­de Einig­keit dar­über, dass das Kau­sa­li­täts­er­for­der­nis der Vor­er­stre­ckungs­klau­sel sowohl mit Blick auf das Ziel, Zweck­ab­schlüs­sen ent­ge­gen­zu­wir­ken, als auch wegen des Grund­sat­zes, dass Risi­ko­aus­schluss­klau­seln den Ver­si­che­rungs­schutz nicht wei­ter ein­schrän­ken dür­fen, als ihr Zweck es erfor­dert, ein­schrän­kend aus­zu­le­gen ist[14]. Wie die­se Ein­schrän­kung zu erfol­gen hat, ist dage­gen umstritten.

Im Urteil vom 24.04.2013[15] hat der Bun­des­ge­richts­hof das Begeh­ren des Ver­si­che­rungs­neh­mers nach Rechts­schutz für die Rück­ab­wick­lung einer schon vor Beginn der Rechts­schutz­ver­si­che­rung abge­schlos­se­nen Lebens­ver­si­che­rung nicht an der Vor­er­stre­ckungs­klau­sel schei­tern las­sen, obwohl auch in jenem Fall die Wider­spruchs­be­leh­rung des Ver­si­che­rers nach § 5a VVG a.F., auf deren behaup­te­te Feh­ler­haf­tig­keit der Ver­si­che­rungs­neh­mer sei­ne Auf­fas­sung stütz­te, den Wider­spruch noch wirk­sam erklä­ren zu kön­nen, vor Abschluss der Rechts­schutz­ver­si­che­rung erfolgt war. Zur Begrün­dung hat der Bun­des­ge­richts­hof dabei auf sei­ne Aus­füh­run­gen zur Fest­le­gung des maß­geb­li­chen Ver­sto­ßes Bezug genom­men und aus­ge­führt, da der Pflich­ten­ver­stoß des Lebens­ver­si­che­rers erst im Bestrei­ten der Fort­gel­tung des Wider­spruchs­rechts lie­ge, hät­ten die Umstän­de des Ver­trags­schlus­ses der Lebens­ver­si­che­rung die­sen Ver­stoß nicht in dem Sin­ne aus­ge­löst, dass die ers­te Stu­fe der Ver­wirk­li­chung der Gefahr einer recht­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung erreicht gewe­sen sei. Damit hat der Bun­des­ge­richts­hof par­al­lel zu sei­ner Recht­spre­chung betref­fend die Bestim­mung des Ver­si­che­rungs­fal­les den Anwen­dungs­be­reich auch der Vor­er­stre­ckungs­klau­sel auf sol­che Wil­lens­er­klä­run­gen und Rechts­hand­lun­gen beschränkt, die der Ver­si­che­rungs­neh­mer sei­nem Anspruchs­geg­ner anlas­tet oder die nach dem eige­nen Vor­brin­gen des Ver­si­che­rungs­neh­mers den spä­te­ren Ver­stoß des Anspruchs­geg­ners aus­ge­löst haben[16].

Das ist auf Kri­tik gesto­ßen. Das Land­ge­richt Köln[10] führt aus, gera­de weil die Vor­er­stre­ckungs­klau­sel kei­ne Defi­ni­ti­on des Ver­si­che­rungs­fal­les bezwe­cke, könn­ten ihre Vor­aus­set­zun­gen nicht mit der Begrün­dung ver­neint wer­den, dass der Rechts­schutz­fall erst spä­ter ein­ge­tre­ten sei. Auch Mai­er[17] bezeich­net den Lösungs­an­satz als zu weit­ge­hend, bzw. zu knapp begrün­det[18].

Über­wie­gend ver­su­chen Recht­spre­chung und Lite­ra­tur die „ufer­lo­se Wei­te“[17] der Vor­er­stre­ckungs­klau­sel durch zusätz­li­che Anfor­de­run­gen an das Kau­sa­li­täts­er­for­der­nis ein­zu­gren­zen. Ledig­lich adäqua­te Kau­sa­li­tät der Wil­lens­er­klä­rung oder Rechts­hand­lung für den spä­te­ren Ver­stoß soll danach nicht aus­rei­chen. Viel­mehr müs­se das den Ver­stoß aus­lö­sen­de Ver­hal­ten schon den „Keim“ eines Rechts­kon­flikts in sich tra­gen[19], die „ers­te Stu­fe der Gefahr­ver­wirk­li­chung“ bereits erreicht bzw. der spä­te­re Rechts­kon­flikt „vor­pro­gram­miert“ sein[20].

Für den durch­schnitt­li­chen Ver­si­che­rungs­neh­mer ist mit die­sen im Bedin­gungs­wort­laut nicht ange­leg­ten syn­ony­men Begriffs­bil­dun­gen aber nichts gewon­nen, weil sie den Begriff des Aus­lö­sens zwar umschrei­ben, dabei aber kei­ne zusätz­li­che Trenn­schär­fe gewin­nen. Der durch­schnitt­li­che Ver­si­che­rungs­neh­mer ver­fügt über kei­ne aus­rei­chen­de recht­li­che Erfah­rung, um unter­schei­den zu kön­nen, was den sei­ner­seits nicht näher defi­nier­ten „Keim“ eines spä­te­ren Rechts­kon­flik­tes von einer blo­ßen Ursa­che unter­schei­det oder wodurch eine „ers­te Stu­fe der Gefahr­ver­wirk­li­chung“ oder die „Vor­pro­gram­mie­rung“ eines Rechts- oder Pflich­ten­ver­sto­ßes in Abgren­zung zu einer blo­ßen Ursa­che gekenn­zeich­net ist.

Dass mit den von der Lite­ra­tur und Recht­spre­chung ver­wen­de­ten Syn­ony­men für das bedin­gungs­ge­mä­ße „Aus­lö­sen“ selbst für Fach­ju­ris­ten kei­ne prak­ti­ka­ble Prä­zi­sie­rung des Kau­sa­li­täts­er­for­der­nis­ses der Vor­er­stre­ckungs­klau­sel ein­her­geht, zeigt die auf der Grund­la­ge die­ser Aus­le­gung ent­stan­de­ne Kasuistik.

Danach sol­len etwa der Ren­ten­an­trag an einen Unfall­ver­si­che­rer[21], eine Scha­den­an­zei­ge gegen­über einem Kfz-Unfall­ver­si­che­rer[22], ein Miet­erhö­hungs­ver­lan­gen[23] oder die Anzei­ge bei einem Unfall­ver­si­che­rer[24] den spä­te­ren Rechts­kon­flikt bedin­gungs­ge­mäß aus­lö­sen, wäh­rend dies bei einer ordent­li­chen Kün­di­gung mit Blick auf spä­te­re Abrech­nungs­strei­tig­kei­ten[25], unter­blie­be­nen erhöh­ten Miet­zah­lun­gen[26] oder dem Ver­spre­chen, unent­gelt­li­che Pfle­ge­leis­tun­gen spä­ter tes­ta­men­ta­risch zu ent­loh­nen[27], nicht der Fall sein soll[28]. Der Recht­spre­chung ist es bis­her nicht gelun­gen, ver­läss­li­che abs­trakt­ge­ne­rel­le Kri­te­ri­en für die Aus­le­gung des Begriffs „aus­lö­sen“ zu erar­bei­ten. Auch eine in der Lite­ra­tur[29] ver­tre­te­ne Auf­fas­sung, die Vor­er­stre­ckungs­klau­sel sei nur dann ein­schrän­kend aus­zu­le­gen, wenn sich die Ein­schrän­kung aus der Betrach­tung der Risi­ken her­lei­ten las­se, mit denen alle Wil­lens­er­klä­run­gen und Rechts­hand­lun­gen als Akte mit Rechts­wir­kung behaf­tet sei­en, über­for­dert den durch­schnitt­li­chen Versicherungsnehmer.

Der dar­ge­leg­ten man­geln­den Trans­pa­renz der Vor­er­stre­ckungs­klau­sel lässt sich auch nicht ent­ge­gen­hal­ten, es kom­me nach dem Bedin­gungs­wort­laut ohne­hin allein auf die objek­ti­ve Sach­la­ge und nicht dar­auf an, ob der Ver­si­che­rungs­neh­mer erken­nen kön­ne, dass eine Wil­lens­er­klä­rung oder Rechts­hand­lung den spä­te­ren Ver­stoß aus­lö­se. Denn gera­de die­se rein objek­ti­ve Aus­rich­tung der Klau­sel ver­hin­dert, dass dem Ver­si­che­rungs­neh­mer hin­rei­chend ver­deut­licht wird, wel­che Lücken sein Ver­si­che­rungs­schutz infol­ge des Risi­ko­aus­schlus­ses aufweist.

Nimmt der durch­schnitt­li­che Ver­si­che­rungs­neh­mer vor dem Hin­ter­grund der gebo­te­nen engen Aus­le­gung von Risi­ko­aus­schluss­klau­seln das für ihn noch erkenn­ba­re Ziel der Vor­er­stre­ckungs­klau­sel in den Blick, so genann­ten Zweck­ab­schlüs­sen ent­ge­gen­zu­tre­ten, wird er dar­aus allen­falls fol­gern, dass sol­che Ver­si­che­rungs­fäl­le vom Deckungs­schutz aus­ge­nom­men wer­den, deren Anbah­nung ihm schon bei Abschluss der Rechts­schutz­ver­si­che­rung bekannt ist. Denn nur inso­weit lässt sich von einem „Zweck­ab­schluss“ der Rechts­schutz­ver­si­che­rung, d.h. einem Abschluss spre­chen, der gezielt dar­auf gerich­tet ist, Ver­si­che­rungs­schutz für ein Risi­ko zu erlan­gen, des­sen Ein­tritt sich für den Ver­si­che­rungs­neh­mer im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses bereits abzeichnet.

Auf ein sol­ches Wis­sen des Ver­si­che­rungs­neh­mers stellt die Klau­sel aber gera­de nicht ab, son­dern ver­sagt den Ver­si­che­rungs­schutz auch in Fäl­len, in denen sich erst nach Abschluss der Rechts­schutz­ver­si­che­rung im Nach­hin­ein bei objek­ti­ver recht­li­cher Betrach­tung her­aus­stellt, dass eine vor Ver­trags­schluss bewirk­te Wil­lens­er­klä­rung oder Rechts­hand­lung geeig­net war, den spä­te­ren Rechts­schutz­fall aus­zu­lö­sen. Damit wird es dem durch­schnitt­li­chen Ver­si­che­rungs­neh­mer, dem unter ande­rem Rechts­schutz für recht­li­che Aus­ein­an­der­set­zun­gen auch im Rah­men lau­fen­der Ver­trä­ge ver­spro­chen wird (vgl. § 2 Buchst. d ARB 2008), bei Abschluss der Rechts­schutz­ver­si­che­rung unmög­lich gemacht zu erken­nen, in wel­chem Umfang die­ses Leis­tungs­ver­spre­chen durch die Vor­er­stre­ckungs­klau­sel ein­ge­schränkt wird. Denn mit einer Pro­gno­se über das Ergeb­nis einer spä­te­ren nach­träg­li­chen objek­tiv­recht­li­chen Bewer­tung der Ursäch­lich­keit einer vor­ver­trag­li­chen Wil­lens­er­klä­rung oder Rechts­hand­lung für den Rechts­schutz­fall ist er überfordert.

Bun­des­ge­richts­hof, Urteil vom 4. Juli 2018 – IV ZR 200/​16

  1. vgl. BGH, Urtei­le vom 25.02.2015 – IV ZR 214/​14, r+s 2015, 193 = VersR 2015, 485 Rn. 10, 15 m.w.N.; vom 24.04.2013 – IV ZR 23/​12, r+s 2013, 283 = VersR 2013, 899 Rn. 12 m.w.N.; vom 28.09.2005 – IV ZR 106/​04, VersR 2005, 1684 unter – I 2 und 3 19 ff.]; vom 19.03.2003 – IV ZR 139/​01, VersR 2003, 638 unter 1 a 9]; BGH, Beschluss vom 17.10.2007 – IV ZR 37/​07, VersR 2008, 113 Rn. 3[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 28.09.2005 – IV ZR 106/​04, VersR 2005, 1684 unter – I 3 e 29]; Mai­er, r+s 2017, 574, 579[]
  3. stän­di­ge Recht­spre­chung, vgl. nur BGH, Urteil vom 09.05.2001 – IV ZR 121/​00, BGHZ 147, 354 unter – I 2 b 34] m.w.N.[]
  4. vgl. nur BGH, Urtei­le vom 17.12 2008 – IV ZR 9/​08, VersR 2009, 1147 Rn. 17; vom 17.03.1999 – IV ZR 89/​98, VersR 1999, 748 unter 2 a 10][]
  5. vgl. zur Defi­ni­ti­on etwa Münch­Komm-BGB/Arm­brüs­ter, 7. Aufl. vor § 116 Rn. 3 ff.; Win­ter, r+s 1991, 397 zu § 14 ARB 1975[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2017 – IV ZR 161/​16, VersR 2017, 1012 Rn. 16 m.w.N.[]
  7. vgl. dazu Böh­me, All­ge­mei­ne Bedin­gun­gen für die Rechts­schutz­ver­si­che­rung 12. Aufl. § 14 ARB 1975 Rn. 13b; Bork, All­ge­mei­ner Teil des Bür­ger­li­chen Gesetz­buchs 4. Aufl. § 8 Rn. 276 f.; Palandt/​Ellenberger, BGB 77. Aufl. Über­blick vor § 104 Rn. 4; Mül­ler in Erman, BGB 15. Aufl. Ein­lei­tung vor § 104 Rn. 6; Flu­me, All­ge­mei­ner Teil des Bür­ger­li­chen Rechts 2. Band 3. Aufl. § 9 S. 105 ff.; Mai­er, r+s 2018, 283, 288 f.; s. auch Moti­ve – I S. 127, – II S. 527, 855[]
  8. BGH, Urtei­le vom 20.02.2014 – IX ZR 164/​13, NZI 2014, 321 Rn. 9 m.w.N.; vom 04.07.2013 – IX ZR 229/​12, BGHZ 198, 77 Rn. 5 m.w.N.[]
  9. vgl. OLG Köln, Beschlüs­se vom 15.01.2016 9 U 251/​15, VersR 2017, 484, 486 13]; vom 02.05.2016 9 U 252/​15 n.v.[]
  10. LG Köln, Urteil vom 14.07.2016 – 24 S 10/​16[][]
  11. OLG Düs­sel­dorf VersR 1994, 1337 f.; Prölss/​Martin/​Armbrüster, VVG 30. Aufl. § 4 ARB 2010 Rn. 134 m.w.N.; Harbauer/​Maier, ARB 8. Aufl. § 4 ARB 2000 Rn. 143; Oba­row­ski in Beck­man­n/­Ma­tu­sche-Beck­mann, Ver­si­che­rungs­rechts-Hand­buch 3. Aufl. § 37 Rn. 464[]
  12. vgl. OLG Karls­ru­he VersR 2012, 987, 989; OLG Saar­brü­cken VersR 2000, 1536, 1537; Prölss/​Martin/​Armbrüster, VVG 30. Aufl. § 4 ARB 2010 Rn. 127, 129; Wendt, r+s 2008, 221, 223; r+s 2014, 328, 334[]
  13. so OLG Nürn­berg VersR 1978, 708[]
  14. OLG Cel­le VersR 2008, 1645, 1647 7 und 9]; OLG Düs­sel­dorf VersR 1994, 1337, 1338; OLG Köln ZfSch 2016, 335 7]; r+s 2001, 201 7]; OLG Hamm r+s 2001, 116 10]; Prölss/​Martin/​Armbrüster, VVG 30. Aufl. § 4 ARB 2010 Rn. 132 ff.; Mai­er, r+s 2017, 574, 579 f. m.w.N.; Harbauer/​Maier, ARB 8. Aufl. § 4 ARB 2000 Rn. 142 ff. m.w.N.; Wendt, r+s 2008, 221, 226[]
  15. BGH, Urteil vom 24.04.2013 – IV ZR 23/​12, VersR 2013, 899 Rn. 17[]
  16. vgl. dazu Wendt, r+s 2014, 328, 335[]
  17. Mai­er, r+s 2017, 574, 580[][]
  18. Mai­er, r+s 2018, 287, 288[]
  19. BGH, Ver­säum­nis­ur­teil vom 17.01.2007 – IV ZR 124/​06, VersR 2007, 535 Rn. 10[]
  20. vgl. nur BGH, Urteil vom 28.09.2005 – IV ZR 106/​04, VersR 2005, 1684 unter – I 3 e 29]; OLG Cel­le VersR 2008, 1645, 1647 7 ff.][]
  21. vgl. den Hin­weis des Senats­vor­sit­zen­den vom 05.04.2006 – IV ZR 176/​05, Beck­RS 2013, 11723, zitiert bei Wendt, r+s 2008, 221, 223 f., wel­cher eine Rechts­mit­tel­rück­nah­me zur Fol­ge hat­te[]
  22. AG Han­no­ver r+s 2000, 378[]
  23. LG Köln ZfSch 1991, 20[]
  24. AG Karls­ru­he r+s 1997, 71[]
  25. AG Mön­chen­glad­bach r+s 1988, 300[]
  26. OLG Hamm VersR 1992, 734[]
  27. OLG Köln ZfSch 2001, 514[]
  28. vgl. im Übri­gen auch die Über­sicht bei Harbauer/​Maier, ARB 8. Aufl. § 4 ARB 2000 Rn. 144, 145[]
  29. Prölss/​Martin/​Armbrüster, VVG 30. Aufl. § 4 ARB 2010 Rn. 132[]