Die zugesagte Abwehrdeckung
Sagt der Versicherer seinem Versicherungsnehmer in einer Rechtsstreitigkeit Abwehrdeckung zu, treten deren Rechtsfolgen ein, ohne dass der Versicherer diese ausdrücklich anzugeben hat.
Es dem Rechtsschutzversicherer grundsätzlich frei, auf welche Weise er den Versicherungsnehmer von einer Gebührenforderung befreit[1]. Entscheidend ist nur, dass das geschuldete Ergebnis – die Befreiung des Versicherungsnehmers von der Verbindlichkeit – erreicht wird.
Der Versicherer kann daher eigenständig entscheiden,
- ob er die Gebührenforderung als Dritter gemäß § 267 BGB bezahlt,
- ob er mit dem Rechtsanwalt eine (befreiende) Schuldübernahme vereinbart oder
- ob er in anderer Weise erreicht, dass der Versicherungsnehmer nicht mehr der Gefahr ausgesetzt ist, Gebührenansprüche seines Rechtsanwalts erfüllen zu müssen.
Hält der Versicherer die Gebührenansprüche für unbegründet, muss er dem Versicherungsnehmer deshalb bei deren Abwehr zur Seite stehen.
Für den Fall, dass der Versicherer seine Leistungspflicht verneint, weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig sei, hat der Versicherungsvertrag ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit vorzusehen, in dem Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung entschieden werden. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Verneinung seiner Leistungspflicht hierauf hinzuweisen. Sieht der Versicherungsvertrag kein derartiges Verfahren vor oder unterlässt der Versicherer den Hinweis, gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt.
Die Kommentarliteratur geht überwiegend davon aus, dass diese Regelung des § 128 VVG (wie auch schon die frühere Regelung in § 158n VVG a.F.) EU-Rechts-konform ist; der Begriff „Streitfall“ in Art. 6 der Rechtsschutz-Richtlinie 87/344/EWG betreffe (nur) den Konflikt zwischen Versicherungsnehmer und dessen Gegner[2].
Auch die übrigen Stimmen in der Rechtsliteratur halten § 128 VVG für richtlinienkonform[3] oder haben keinen Zweifel, dass Art. 6 der Rechtsschutz-Richtlinie 87/344/EWG lediglich die Ablehnung des Deckungsschutzes regelt[4].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. März 2016 – IV ZR 266/14
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. April 2018 – IV ZR 215/16
- BGH, Urteil vom 21.10.2015 – IV ZR 266/14, VersR 2015, 1501[↩]
- D. Wendt in van Bühren/Plote, ARB 3. Aufl. § 128 Rn. 1; Bauer in Harbauer, ARB 8. Aufl. § 128 VVG Rn. 2; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 128 Rn. 1[↩]
- Schröder-Frerkes, Konfliktbeilegungsmechanismen in der Rechtsschutzversicherung 1991 S. 338 ff. zu § 158n VVG a.F.[↩]
- ohne Verfasser, Kommentar zur Rechtsschutz-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft, Rechtsschutz in Europa, 1987, 49, 57; vgl. Müller, VW 1988, 1354, 1360; Schirmer, DAR 1990, 81, 90 f.[↩]



