Überzahlungen der Rechtsschutzversicherung – und die Verjährung
Die Rechtsschutzversicherung kann sowohl gemäß den §§ 675 Abs. 1, 667 BGB als auch über § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB jeweils in Verbindung mit § 17 Abs. 8 Satz 1 ARB 2000 von dem von ihrem Versicherungsnehmer mandatierten Rechtsanwalt Herausgabe bzw. Rückzahlung des verauslagten aber nicht verbrauchten Vorschusses verlangen.
Dabei kann es nach Ansicht des Landgerichts Karlsruhe dahinstehen, ob infolge groß fahrlässiger Unkenntnis der Rechtsschutzversicherung Verjährung eingetreten ist. Jedenfalls ist es dem Rechtsanwalt in Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf diese Einrede zu berufen, da er die Verjährung durch eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung mitverursacht hat[1].
Selbst wenn man zu Gunsten des Rechtsanwalts unter Zugrundelegung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB von grob fahrlässiger Unkenntnis der Rechtsschutzversicherung gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB[2] im Jahr 2005 ausgeht und demzufolge Verjährung der aufgezeigten Ansprüche eingetreten wäre, könnte sich der Rechtsanwalt hierauf nicht berufen. Dieser hat es – trotz ausdrücklicher Aufforderung – pflichtwidrig und schuldhaft unterlassen, über das Mandat und insbesondere den erhaltenen Vorschuss abzurechnen, so dass er die Forderung als unverjährt gelten zu lassen hat[3].
Bezahlt der Rechtsschutzversicherer den vom Rechtsanwalt angeforderten Vorschuss (§§ 9 RVG, 17 BRAGO) an diesen, so hat dieser auch abzurechnen (vgl. §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 10 RVG, 16, 18 BRAGO) und einen sich ggfs. ergebenden Überschuss zurückzuerstatten[4].
Dem entspricht es, dass der Rechtsschutzversicherer in diesem Fall vom Rechtsanwalt die erforderlichen Auskünfte verlangen kann[5].
Im vorliegenden Fall wurde der Rechtsanwalt durch das Anschreiben der Rechtsschutzversicherung vom 05.08.2005, das er – im Gegensatz zu den anderen Schreiben – unstreitig erhalten hat, um Sachstandsmitteilung gebeten und zur Abrechnung unter Berücksichtigung des verauslagten Kostenvorschusses aufgefordert. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zwei Jahre über die von der gegnerischen Haftpflichtversicherung endgültig regulierten Rechtsanwaltsgebühren verfügt hatte, unterließ er dies in der Folge pflichtwidrig, schuldhaft (vgl. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) und ohne erkennbar nachvollziehbare Gründe.
Der Hinweis, sich an den Mandanten zu wenden, dem angeblich sämtliche Unterlagen übergeben worden seien, genügt nicht, um den genannten Pflichten in Ausprägung der §§ 43 a Abs. 5 BRAO, 4 BORA zu genügen. Jedenfalls wäre zu fordern gewesen, dass der Rechtsanwalt der Rechtsschutzversicherung gegenüber eine Abrechnung vornimmt und hierüber Auskunft erteilt, so dass er durch das Unterlassen die – unterstellte – Verjährung durch eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung mitverursacht und für diesen Schaden gemäß § 249 Abs. 1 BGB aufzukommen hätte. Dies vollzieht sich in der Form, dass er die geltend gemachte Forderung als unverjährt gelten zu lassen hat.
Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 11. Juni 2012 – 1 S 11/12
- vgl. zu dieser Fallgruppe: Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., 2012, Überbl v § 194 Rn. 21 m.w.N.[↩]
- vgl. hierzu: BGH NJW-RR 2009, 544 und speziell für den Fall des Unterlassens einer Nachfrage: BGH NJW-RR 2010, 681[↩]
- so auch: OLG Frankfurt RuS 1990, 341; AG Hamburg RuS 1996, 316; AG Eschweiler RuS 2000, 246; LG Hannover, Urteil vom 29.08.2003, Az.: 12 S 42/03[↩]
- vgl. Harbauer, aaO, § 5 Rn. 178[↩]
- vgl. Feuerich/Weyland, aaO, § 44 Rn. 29; OLG Düsseldorf VersR 1980, 231[↩]